01.07.2021
Statement zur geplanten Umgestaltung des Naschmarktparkplatzes:
Placemaking am Naschmarkt
Mit dem Naschmarkt-Areal soll eine der letzten großen innerstädtischen Freiräume entwickelt und verwertet werden: als Markthalle mit „einem Hauch von London“ (Uli Sima).
Noch bevor geklärt ist, ob Wien überhaupt eine Markthalle benötigt und ob das Naschmarkt-Areal dafür der geeignete Standort ist wird von der Stadtregierung ein Gestaltungswettbewerb vorbereitet. In einem hektisch angesetzten „Beteiligungsverfahren“ sollten binnen drei Monaten die „Erwartungen und Ideen der Bevölkerung“ eingeholt werden, deren „Ergebnisse (…) eine Grundlage für den Gestaltungswettbewerb“ bilden. Problematisch ist hier nicht nur die Tatsache, dass das unter dem Label „Wien wird Wow“ vermarktete Verfahren überwiegend online stattfindet, sondern dass das Ziel der Beteiligung bereits vorformuliert ist: eine Markthalle.
Plötzlich soll also das, was seit Jahrzehnten in Wettbewerben, temporären Projekten und teils avantgardistischen Aktionen verhandelt wird, binnen eines Jahres fixiert und unmittelbar danach gebaut werden.
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1. Wir fordern Sachlichkeit!
Das Naschmarkt-Areal darf nicht zur parteipolitischen Positionierung instrumentalisiert werden. Als Architekt/innen und Gestalter/innen fordern wir die Politik auf, im Sinne der Stadtbevölkerung und urbanem Freiraum als Gemeingut zu agieren und nicht aus parteipolitischen oder wirtschaftlichen Interessen zu handeln.
Eine Umgestaltung – die längst überfällig ist und die wir grundsätzlich begrüßen – erfordert ergebnisoffenes Nachdenken darüber, wie der Naschmarkt zu einem besseren Ort für alle werden kann. Dabei muss sich die Stadt Wien an ihre eigenen Zielvorgaben halten, die bei der derzeit projektierten Markthalle vollkommen ignoriert werden (vgl. u.a. STEP 2025, Ziele für Freiraumentwicklung)!
Aus vorgeschobenen Beteiligungsverfahren entsteht weder ein gelungener Platz, noch ein „politisch-korrektes“ Projekt, geschweige denn gute Architektur oder eine nachhaltige städtebauliche Lösung. Wir fordern Sachlichkeit, einen ernsthaften Diskurs und eine transparente öffentliche Debatte bevor Visualisierungen produziert werden!
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2. Platz für Utopien!
Unbebauter städtischer Raum wie das Naschmarkt-Areal ist in Wien eine absolute Seltenheit. Deshalb muss mit diesem Allgemeingut besonders bedacht umgegangen werden. Es muss als solches für alle (oder zumindest für möglichst viele) benutzbar sein und weitgehend konsumfrei bleiben. Je mehr Nutzungen öffentlicher Raum zulässt, desto besser ist er: wir sollten uns dem politischen Patt nicht beugen, wir müssen diesen Ort als Markt, Park, Freiraum, Treffpunkt, Sonnenbad, Himmelstor und noch viel mehr zugleich denken!
Urbaner Freiraum ist wichtig und zwar abseits geselliger Schanigärten, repräsentativer Parks und voller Einkaufsstraßen.
Und warum sollten wir diesen historischen Moment nicht für Utopien nutzen und alle Möglichkeiten in Betracht ziehen? Um zu diskutieren, wie Stadt im Zeitalter des Anthropozän und im Angesicht des Klimawandels als Ort der Koexistenz unterschiedlichster Spezien aussehen können? Und in diesem Zuge vielleicht auch die eigentlich temporär geplante Überplattung des Wienflusses in Frage zu stellen?
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3. Rechtliche Gestaltungswerkzeuge
Statt einer neuen Markthalle die alle Probleme lösen soll fordern wir die Defizite und Stärken des bestehenden Naschmarktes kritisch zu analysieren und ihn u.a. durch kuratierte Vermietung wieder attraktiv für Wiener*innen zu machen.
Wir schlagen vor, den Naschmarkt als Ganzes zu denken und hier bestehende Pachtverträge zu prüfen und neu zu vergeben. Der historische Bestand bietet genug Fläche für Markthandel und Gastronomie – was er nicht bietet ist ein (ökonomisch) diverses Angebot. Eine Neuausschreibung als Gestaltungsmaßnahme, bei der sich bestehende und neue Pächter*innen bewerben können, würde den Ort größtmöglich verändern ohne den historischen Bestand anzutasten.
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4. Ideenwettbewerb statt Gestaltungswettbewerb!
Als Architekt*innen und Gestalter*innen lehnen wir jeglichen Wettbewerb ohne fundiert erarbeitete Grundlagen ab, da in Ausschreibungen die Gestaltung immer vorformuliert ist. Der Ausschreibung des geplanten Gestaltungswettbewerbs am Naschmarkt muss vorangehen: eine klimatische Untersuchung des Ortes, eine Studie in der erhoben wird ob und welche Art von weiteren Flächen für Markthandel benötigt werden, sowie eine Analyse der Frei- und Sozialräume in der näheren Umgebung.
Warum verzichtet die Stadt Wien auf das ganze das ganze Spektrum möglicher Utopien und Lösungen, die ein ergebnisoffener Ideenwettbewerb identifizieren würde? Und zwar nicht nur auf gestalterischer, sondern auch auf programmatischer Ebene. Es braucht eine überzeugende, ökologisch und sozial nachhaltige Strategie zur Beantwortung der Nutzungsfrage an diesem historisch bedeutsamen Ort!
Deshalb fordern wir die Auslobung eines Ideenwettbewerbs für die wichtige Umgestaltung des Naschmarkt-Areals unter Mitsprache der verschiedenen überparteilichen Initiativen in der Jurierung der Ergebnisse!
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01.07.2021
Statement zur geplanten Umgestaltung des Naschmarktparkplatzes:
Placemaking am Naschmarkt
Mit dem Naschmarkt-Areal soll eine der letzten großen innerstädtischen Freiräume entwickelt und verwertet werden: als Markthalle mit „einem Hauch von London“ (Uli Sima).
Noch bevor geklärt ist, ob Wien überhaupt eine Markthalle benötigt und ob das Naschmarkt-Areal dafür der geeignete Standort ist wird von der Stadtregierung ein Gestaltungswettbewerb vorbereitet. In einem hektisch angesetzten „Beteiligungsverfahren“ sollten binnen drei Monaten die „Erwartungen und Ideen der Bevölkerung“ eingeholt werden, deren „Ergebnisse (…) eine Grundlage für den Gestaltungswettbewerb“ bilden. Problematisch ist hier nicht nur die Tatsache, dass das unter dem Label „Wien wird Wow“ vermarktete Verfahren überwiegend online stattfindet, sondern dass das Ziel der Beteiligung bereits vorformuliert ist: eine Markthalle.
Plötzlich soll also das, was seit Jahrzehnten in Wettbewerben, temporären Projekten und teils avantgardistischen Aktionen verhandelt wird, binnen eines Jahres fixiert und unmittelbar danach gebaut werden.
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1. Wir fordern Sachlichkeit!
Das Naschmarkt-Areal darf nicht zur parteipolitischen Positionierung instrumentalisiert werden. Als Architekt/innen und Gestalter/innen fordern wir die Politik auf, im Sinne der Stadtbevölkerung und urbanem Freiraum als Gemeingut zu agieren und nicht aus parteipolitischen oder wirtschaftlichen Interessen zu handeln.
Eine Umgestaltung – die längst überfällig ist und die wir grundsätzlich begrüßen – erfordert ergebnisoffenes Nachdenken darüber, wie der Naschmarkt zu einem besseren Ort für alle werden kann. Dabei muss sich die Stadt Wien an ihre eigenen Zielvorgaben halten, die bei der derzeit projektierten Markthalle vollkommen ignoriert werden (vgl. u.a. STEP 2025, Ziele für Freiraumentwicklung)!
Aus vorgeschobenen Beteiligungsverfahren entsteht weder ein gelungener Platz, noch ein „politisch-korrektes“ Projekt, geschweige denn gute Architektur oder eine nachhaltige städtebauliche Lösung. Wir fordern Sachlichkeit, einen ernsthaften Diskurs und eine transparente öffentliche Debatte bevor Visualisierungen produziert werden!
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2. Platz für Utopien!
Unbebauter städtischer Raum wie das Naschmarkt-Areal ist in Wien eine absolute Seltenheit. Deshalb muss mit diesem Allgemeingut besonders bedacht umgegangen werden. Es muss als solches für alle (oder zumindest für möglichst viele) benutzbar sein und weitgehend konsumfrei bleiben. Je mehr Nutzungen öffentlicher Raum zulässt, desto besser ist er: wir sollten uns dem politischen Patt nicht beugen, wir müssen diesen Ort als Markt, Park, Freiraum, Treffpunkt, Sonnenbad, Himmelstor und noch viel mehr zugleich denken!
Urbaner Freiraum ist wichtig und zwar abseits geselliger Schanigärten, repräsentativer Parks und voller Einkaufsstraßen.
Und warum sollten wir diesen historischen Moment nicht für Utopien nutzen und alle Möglichkeiten in Betracht ziehen? Um zu diskutieren, wie Stadt im Zeitalter des Anthropozän und im Angesicht des Klimawandels als Ort der Koexistenz unterschiedlichster Spezien aussehen können? Und in diesem Zuge vielleicht auch die eigentlich temporär geplante Überplattung des Wienflusses in Frage zu stellen?
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3. Rechtliche Gestaltungswerkzeuge
Statt einer neuen Markthalle die alle Probleme lösen soll fordern wir die Defizite und Stärken des bestehenden Naschmarktes kritisch zu analysieren und ihn u.a. durch kuratierte Vermietung wieder attraktiv für Wiener*innen zu machen.
Wir schlagen vor, den Naschmarkt als Ganzes zu denken und hier bestehende Pachtverträge zu prüfen und neu zu vergeben. Der historische Bestand bietet genug Fläche für Markthandel und Gastronomie – was er nicht bietet ist ein (ökonomisch) diverses Angebot. Eine Neuausschreibung als Gestaltungsmaßnahme, bei der sich bestehende und neue Pächter*innen bewerben können, würde den Ort größtmöglich verändern ohne den historischen Bestand anzutasten.
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4. Ideenwettbewerb statt Gestaltungswettbewerb!
Als Architekt*innen und Gestalter*innen lehnen wir jeglichen Wettbewerb ohne fundiert erarbeitete Grundlagen ab, da in Ausschreibungen die Gestaltung immer vorformuliert ist. Der Ausschreibung des geplanten Gestaltungswettbewerbs am Naschmarkt muss vorangehen: eine klimatische Untersuchung des Ortes, eine Studie in der erhoben wird ob und welche Art von weiteren Flächen für Markthandel benötigt werden, sowie eine Analyse der Frei- und Sozialräume in der näheren Umgebung.
Warum verzichtet die Stadt Wien auf das ganze das ganze Spektrum möglicher Utopien und Lösungen, die ein ergebnisoffener Ideenwettbewerb identifizieren würde? Und zwar nicht nur auf gestalterischer, sondern auch auf programmatischer Ebene. Es braucht eine überzeugende, ökologisch und sozial nachhaltige Strategie zur Beantwortung der Nutzungsfrage an diesem historisch bedeutsamen Ort!
Deshalb fordern wir die Auslobung eines Ideenwettbewerbs für die wichtige Umgestaltung des Naschmarkt-Areals unter Mitsprache der verschiedenen überparteilichen Initiativen in der Jurierung der Ergebnisse!
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